Was können Kinder tun, um sich nicht in Gefahr zu bringen? Seit mehreren Jahrzehnten vermittelt die Ju-Jutsu-Abteilung des TSV Nördlingen dieses Wissen. Ein Besuch.
Eine goldene Regel von Friedrich Bruckmeier ist die: "Selbstverteidigung fängt im Kopf" an. Das lehrt er in den Selbstverteidigungskursen, die er seit Jahrzehnten immer wieder anbietet. Nachdem in Wolferstadt kürzlich ein Mädchen von einer Frau angesprochen worden ist, werden wieder vermehrt Ratschläge genannt, die Eltern und Kinder beherzigen können, um gefährlichen Situationen vorzubeugen. Noch so eine goldene Regel: sich am besten gar nicht erst in Gefahr bringen, das Wichtigste, weshalb Bruckmeier auch den Begriff "Selbstbehauptung" bevorzugt.
Wie können sich Kinder vor Gefahren schützen?
Über seine Arbeit der vergangenen Jahrzehnte informiert der Abteilungsleiter am Rande einer Ju-Jutsu-Trainingsstunde in der Gemeindehalle in Kleinerdlingen. Kinder toben auf einer Matte und wärmen sich auf, bevor sie sich Verteidigungstechniken widmen. Die Buben und Mädchen trainieren gemeinsam. Gezeigt wird beispielsweise, wie sie einen Schlag auf den Kopf abwehren können. Irgendwann werden sie in Wettkämpfen gegen andere Sportler aus der Kampfkunstart antreten. Geht es allerdings um Selbstverteidigung im Alltag, werden andere Dinge viel wichtiger.
In der Praxis gebe es viele Möglichkeiten, um Kinder zu sensibilisieren. Bruckmeier erklärt das umgekehrte Ampelprinzip. In der grünen Phase gehe es darum, vorzubeugen, gar nicht erst in Gefahr zu geraten und vorausschauend zu agieren. Eltern können ihren Kindern zudem Sicherheiten mitgeben, beispielsweise für den Schulweg. Diese "Rettungsinsel", wie sie der Gewaltpräventionstrainer bezeichnet, können Häuser von Bekannten oder Ähnliches sein. Ein Ort, an dem die Kinder auch fernab vom Elternhaus einen Ansprechpartner haben.
Kinder können mit dem umgekehrten Ampelprinzip vorbeugen
In der gelben Phase gehe es dann um die Selbstbehauptung in unangenehmen oder kritischen Situationen: Wie trete ich sicher auf? Kinder lernen, wie sie ihre Stimme stark einsetzen und Blickkontakt halten. "Wenn ich auf mich aufmerksam machen, habe ich mehr Chancen, dass ich etwas bewirke", sagt Bruckmeier. Er schwärmt vom Buch "Das große und das kleine Nein" von Gisela Braun. Es soll Kindern helfen, Bedürfnisse zu benennen, und auch Gefühle.
Und erst dann, wenn Prävention nicht klappt und man trotzdem in eine gefährliche Lage gekommen ist, gilt die rote Phase. Bruckmeier schildert auch da nur einige wenige Beispiele von vielen. So seien Überraschungsmomente wichtig, die unter anderem mit "Naserubbeln" erzeugt werden können, so werde es den Jüngeren beigebracht. Das Kind streicht also mehrmals mit der flachen Hand über die Nase der angreifenden Person, die sich über ihm befindet, überrascht sie und rennt dann davon – ein taktischer Rückzug also. Werde ein Kind in den Schwitzkasten genommen, so könne es in nicht lebensgefährlichen Situationen den Angreifer in den Oberschenkel zwicken und dann ebenfalls davonrennen.
Parallel sei es wichtig, das Selbstbewusstsein der Kinder aufzubauen. Sie sollen außerdem lernen, dass sie sich Hilfe holen können. Sehen sie, dass andere in Gefahr sind, sollen sie sich nicht einmischen, denn es könnte gefährlich werden.
Selbstverteidigungskurse mit Zertifizierung
Bruckmeier hält es für sinnvoll, dass sich Kinder bei vertrauensvollen Anbietern im Umgang mit der Selbstbehauptung schulen lassen. Womit er allerdings nicht einverstanden ist, war jüngst der Rat eines Polizeisprechers, besser keine Selbstverteidigungskurse in Anspruch zu nehmen, weil diese nicht zertifiziert seien und bei Kindern Angst schüren würden. Bruckmeier bezweifelt nicht, dass es schwarze Schafe gebe, die nur am Geld interessiert seien. Gerade beim Ju-Jutsu aber werde großen Wert auf Weiterbildungen, Zertifizierungen und mehr gelegt. Selbstverteidigungskurse gab es auch schon beim Ferienprogramm in Nördlingen unter dem Namen "Nicht mit mir". Bruckmeiers Ärger ist zwar inzwischen verflogen. Doch weil in Schulkreisen Verunsicherung aufgekommen war, war es ihm ein Anliegen, die Aussage einzuordnen und dem etwas entgegenzusetzen.
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